Ich sitz hier gerade studentisch stilecht hinter meinem Wäscheständer im Ikeasessel, Natalie Williams Stimme plätschert, Martin Dartings Buch zu seinem ‚objektiven‘ Verkostungssystem aufm Schoß und einen sensationellen Rotwein im Glas.
Da überkommt mich die Frage, warum wir eigentlich noch nie einen sensorischen Workshop hatten. Alles immer als hedonistische Endverbrauchertests ausgerichtet mit der klassischen Skala von ‚hammäää‘ bis ‚für die WG‘. Erstmal ohne Wertung das Beschreiben von Genussmitteln kennenzulernen fänd ich per se super spannend. Man kanns ja beispielhaft bei Whisky oder so machen. Wenn möglich auch mit Fehlerproben. Kann man da wen engagieren? Ein bisschen angekratzt haben wir das Thema mit Julia Nourney, nachdem sie auch 1-2 inoffizielle Cognacproben verteilt hat, mit denen die Botschafter lernen. Wäre auch für Onlineseminare offen, dann müsste man nicht bis nächstes Pfingsten warten.
PS: Über Literaturtipps für Sensorik zu Spirituosen würde ich mich freuen. Gobts ja sonst eher zum Thema Wein…
Zum Thema Sensorikschulung fällt mir immer das Nosing-Tasting ein, das Mike Meinke für uns auf dem Forentreffen in Wien organisiert hatte. Er hatte damals ein Nosing-Kit mit ca. 20 Duftfläschchen mitgebracht. Wir haben der reihe um daran geschnuppert und blind notiert was wir meinen zu erkennen. Das Resultat war fatal! Ich glaub nur eine Person hatte 4 Richtige. Die mesten hatten nur zwei oder drei Gerüche erkannt. Zimt hatten noch sehr viele aber schon bei Vanille und Limette mussten die meisten passen. Seit dem weiß ich, dass mein Geruchssinn alleine total hilflos ist (ich hatte immerhin noch 3 von 20 Proben erkennt)
Mike hatte sich dann noch in seiner charmant direkten Art darüber ausgelassen, dass wir leider keine Ausnahme darstellen würden und dass auch viele Spitzenbartender ohne visuelle oder habtische Hilfestellungen beim erkennen von Gerüchen aufgeschmissen sein, und dass man auf der anderen Seite einem anständigen Koch so etwas in der Ausbildung nie durchgehen lassen würde.
Im alten Forum gibt einen Thread, wo jemand damit experimentiert hat selbst ein Nosing-Kit zusammen zu stellen, um seinen Geruch zu trainieren. Die kommerziellen Kits sind nämlich recht teuer und dann häufig auch eingeschränkt auf Gerüche in Whiskey oder Gin. Hier ist noch der passende Blog-Eintrag:
Ich wollte auch mal in die Richtung experimentieren, bin aber nie dazu gekommen.
Genau daran musste ich eben auch denken als ich den Post oben gelesen habe. Das war sehr erhellend damals. Seither laufe ich immer um die Duftöl-Regale und frage mich wieviel Hunderter so ein komplettes Set mit Spirituosen-Relevaten Düften in entspr. Qualität kosten würde…
Bei den meisten Tastings überkommt mich doch recht schnell eine »gewisse« Hilflosigkeit beim Einordnen, Beschreiben und Bewerten … Davon abgesehen bleibt die Frage »wie« überhaupt verkostet wird. Also in welchen Gläsern und wie man riecht, trinkt und so weiter. Das wilde Herumschwenken der Nosing-Gläser vor dem ersten Schnuppern soll ja z.B. eher kontraproduktiv sein.
Ich will das überhaupt nicht im Detail diskutieren sondern mich interessiert eher ein solider Standard. Es geht mir also nicht darum »das perfekte Glas« zu finden sondern ich möchte nur wissen was sich als Nosingglas wofür eignet und was nicht. Reicht ein kleines Weinglas oder ein Obstbrandglas um Whiskey zu verkosten? Wieviel sollte man im Glas haben? Und so weiter …
Eine philosophische Frage. Aber eigentlich sagt man immer, dass es ein Glas sein sollte, welches der Flüssigkeit eine grosse Oberfläche gibt und sich nach oben verjüngt. Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass grosse Gläser (für Spirituosen) nichts bringen. Da sammelt sich einfach nicht genug Aroma.
Zumindest lässt sich festhalten, dass Gläser auch einen Einfluss haben. Um Fehler zu minimieren, sollte man immerhin gleiche / sehr ähnliche Glasformen in einem Tasting verwenden.
Selbst mal zu Literaturtipps:
Eva Derndorfer - Lebensmittelsensorik:
Für einen tiefen Einblick in Methoden professioneller Lebensmittelsensorik samt statistischer Auswertung). Da lernt man einiges zu der richtigen Verkostungsumgebung und den psychologischen Faktoren, welche auf Geschmack Einfluss nehmen.
Martin Darting - Sensorik
Guter Einstieg in Wein und Einflussfaktoren des Anbaus / der Vinifizierung. Danach folgt ein Teil, wie man Weine ohne Wertung beschreibt (Sensoanalyse, Aromen, Struktur). Der ist recht ausführlich und gut beschrieben, auch wenn ständig auf Praxiserfahrung referiert wird, sodass es keine Anleitung per se liefert, wie man intersubjektiv Weine beschreibt.
Ich habe mich beim Kurs zur IHK Bierbotschafterin etwas näher mit Sensorik beschäftigt. Da galt generell auch: kein Parfüm / Deo, nicht rauchen und kein Kaffee oder Tee. Um für sich selbst am Ball zu bleiben bezüglich Aromen, ist einfach ständiges Training angesagt. Immer mal wieder die verschiedenen Lebensmittel bewusst riechen und mit Bild im Kopf abspeichern. Das geht ja quasi jeden Tag, ob es verschiedene Brot- und Obstsorten sind, oder der Lavendel am Wegesrand. Um den Geruchssinn dann tatsächlich zu testen gibt es schwarze Gläser mit Deckel, die man selbst befüllen kann, so dass die optische Komponente weg fällt. Ich werde in zwei Wochen nochmal zur Biersommeliere aufstocken, da gibt es dann auch ein Fehlgeschmäcker Tasting mittels Geruchsproben, auf das ich sehr gespannt bin.
So hab ich es auch kennengelernt. Wobei ich selber sowas nie gemacht habe. Aber ich habe im Weinbereich schon viele Unterhaltungen gehabt.
Nie auf ein Weinabend mit Parfüm gehen!!!