Regular Dry Shake vs Reverse Dry Shake

EDIT Moderator: @Sgt.Fischoni’s Frage bezog sich ursprünglich auf das Rezept vom White Lady (McElhone - 1929). Daraus ergab sich dann diese Diskussion mit offenem Ergebnis.


Frage: ich dachte bisher der Dry Shake kommt bei Rezepten mit Eiweiß als erster Schritt und dann der Shake mit Eis. Liege ich da falsch?

Keine Ahnung, ob es da unterschiedliche Ansichten/Schulen gibt und wie groß der Effekt der Reihenfolge tatsächlich ist. Ich kann hier aber Cocktail-Technik-Experte Jeffrey Morgenthaler zitieren aus seinem empfelenswerten Buch „The Bar Book - Elements of Cocktail Technique“ (2014):

Drinks containing egg whites benefit from an initial shake without ice—called a dry shake—which will develop a thicker, more voluptuous and stable foam. […]
Proteins will stretch and unwind more easily, as previously described, if they’re given some time to loosen up rather than being rushed into the process. A chef usually whips eggs white more slowly at first and then turns up the speed once a light foam has formed. The dry shake accomplishes this for the bartender.
The dry shake also just allows more total time for you to shake the whites—once you add ice, you’re limited as to how much shaking you can do because you can’t risk overdiluting the drink with melting ice. So shake first to get a good foam established, and then continue with ice, which will create even more agitation and foam.

Also in kurz, Jeffrey Morgenthaler gibt dir recht. :slightly_smiling_face:

Morgenthaler schlägt auch vor die Spiralfeder von einem Strainer beim Dry-Shake mit zu shaken. Oder anstelle des Dry-Shakes einen Milchaufschäumer zu verwenden.

Anschließend weißt Morgenthaler noch darauf hin, dass man beim Dry-Shaken einen Bosten- oder Tin-Tin-Shaker zentriert schließt und mit einem kräftigen senkrechten Schlag sicherstellt, dass der Shaker dicht ist, da das fehlende Eis den Shaker nicht per Unterdruck automatisch versiegelt.

Also für mich hat sich über die Jahre die umgekehrte Reihenfolge durchgesetzt.

  1. Wenn ich erst den Dry Shake mache zieht der Shaker sich nicht ordentlich zusammen, d.h. Man muss eine spezielle Technik, wie Lupullus ja schon erwähnt, anwenden.

  2. Durch die umgekehrte Technik schlage ich mir den erzeugten Schaums des dry Shakes nicht mit den Eiswürfeln wieder kaputt.

Es wird aber sicherlich in der umgekehrten Reihenfolge wieder etwas Wärme hinzugefügt.

Ich denke also dass es jeder für sich selbst entscheiden muss.

Die Idee des „Reverse Dry Shake“ kam übrigens von Crackone aka Torben aka Ding aus dem alten Forum soweit ich weiß :upside_down_face:

Okay, ich habe dann im Rezept mal die Beschreibung „Dry Shake“ zu „Reverse Dry Shake“ korrigiert. :upside_down_face:

Kannst du wahrscheinlich vollständig vernachlässigen. Zur groben Abschätzung folgende Annahmen: Beim harten Reverse Dry Shake beschleunigst du die Flüssigkeit 6 mal pro Sekunde (6 Hz) auf 6 m/s. Wir nehmen weiter an, dass dabei die kinetische Energie voll in Wärme umgesetzt wird. Du shakest für 30 Sekunden und im Shaker befindet sich nur Wasser. Daraus folgt:

Umgesetzte Energie E = 30 s x 6 Hz x m x (6 m/s)² = m x 6480 m²/s²

und für die Erwärmung vom Wasser gilt E = m x 4180 J/(kg K) x dT

wobei m die Masse vom Wasser ist und dT die Temperaturänderung.

Durch Gleichsetzen bekommen wir:

m x 4180 J/(kg K) x dT = m x 6480 m²/s²
4180 J/(kg K) x dT = 6480 m²/s²
4180 J/(kg K) x dT = 6480 J/kg
dT = 1,55 K

Okay, ist doch mehr als ich dachte. Aber, wenn du zuerst ohne Eis nen Regular Dry Shake machst, heizt du die Mischung ja ebenfalls auf und musst das dann halt später mit mehr Schmelzwasser kompensieren …

Bleibt nur noch die Frage, wann schreibt unser Forum das erste Cocktail-Technik-Buch?

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Sehr schöne Beispielrechnung. Man könnte den zweiten Shaker noch vorkühlen um die 1,55 K Erwärmung zu verringern…

Oder man verzichtet drauf. Mir ist ein Drink nach dem Reverse Dry Shake noch nie zu warm vorgekommen. Ansonsten stimme voll und ganz @Mixael zu.

Ah ja, ich bin der einfachhalthalber davon ausgegangen, das man beide Shakes mit dem selben Shaker macht. :sweat_smile:

Ich verwende tatsächlich diese Technik und bekomme damit sehr feinporigen Schaum der cremig und trotzdem stabil ist. Der Prozess ist nicht wirklich sexy aber gefühlt geht es schneller als zweimal shaken …

Zu diesem Thema gibt es aktuell einen kleinen Vergleich bei Barfly Freepour: The Reverse Dry Shake Myth - YouTube

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Sehr schöner Vergleich. Im Test fehlte nur noch die Milchschäumer Technik die laut @microboy ja ebenfalls feinen und stabilen Schaum ergibt. :slightly_smiling_face:

The Educated Barfly geht den Vergleich erneut an: The Reverse Dry Shake Myth Part Deux: Revelations - The Great Barfly Shake-off - YouTube

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Milchschäumer: Unsexy Technik, bestes Ergebnis.

Wenn über 20% der Drinks am Abend mit Eiweiß bestellt werden würden, wäre das auch mein genutztes Tool.

Da das bei uns nicht der Fall ist (Ausnahmen bestätigen die Regel) nutze ich den Reverse Dry Shake. Und das hat seine Gründe. Speziell bei uns macht es Sinn ihn zu nutzen aufgrund der Art wie wir nutzen und unserer Gläser (unten mehr dazu)

Aber erstmal will ich auf ein paar Dinge im Video eingehen:

  1. Simple Syrup, also 1:1 Zuckersirup wird zum Glück in Deutschland nicht genutzt. Ich bin mir sicher, dass bei schlechtem Eis und weniger dichtem Zuckersirup immer weniger Schaum entsteht, als bei sehr gutem Eis und dichtem Zuckersirup.
  2. Eiweiß nicht abgemessen, kann ich schon nicht mehr richtig ernst nehmen.
  3. Die Zeit und Technik die er alleine für seinen ersten Dry Shake nutzt: Absolut uneffektiv und er macht sich auf Dauer auch die Arme kaputt.
  4. Warum er normalerweise seine Eiweiß Drinks double-strainen würde würde mich schwer interessieren. Man verliert nur Schaum und damit Aroma.
  5. Ein Vergleich macht überhaupt nur Sinn, wenn aus beiden Shakern die komplette Menge auch ins Glas geschüttet wird.
  6. Warum kein Double Shake oder warum Shaken nicht wenigstens zwei Personen mit der gleichen Technik um gleichzeitig ins Glas zu schütten und die Effekte perfekt beobachten zu können?

Ergebnis ist völlig verfälscht für mich und aus meiner Erfahrung stimmt das Ergebnis absolut nicht mit dem Ergebnis eines guten 6/3/2 Sour mit 2:1 Sirup überein.

Sein zweites Video:

  1. Nasser Shaker (ein bisschen abputzen bringt da auch nicht mehr viel) bedeutet anderes Ergebnis.
  2. Noch schlimmere Technik und wechselnde Technik. 5x gleich zu Shaken sollte drin sein, wenn man ein Vergleichsvideo machen möchte.
  3. Schon beim zweiten Drink sagt er wieder alles: Ich bekomm nicht alles ins Glas. Vergleichbarkeit = null
  4. Technik Nr.3 kann funktionieren, wenn man nicht die ganze Zeit aufhört zwischendrin und mal konsequent bei der Sache bleibt.
  5. Beim vierten ist mir spätestens aufgefallen, dass er sehr ungenau jiggert. Solte vielleicht etwas genauer gehandhabt werden in einem Vergleich.
  6. Spätestens beim 4. ist glaub ich alles gesagt zur Vergleichbarkeit beim Eis. Riesen Chunk der stecken bleibt.

Sein Endergebnis passt aber eigentlich ganz gut: Alle Techniken (können) funktionieren.

Am Ende kommt es auf den Drink an den ihr machen möchtet oder was euer Stil ist:
Hier eine kleine Erklärung wie man Konsistenz erreichen kann:

Ich gehe jetzt mal nicht drauf ein, warum der Reverse Dry Shake vor allem in einer Bar mit einer sehr geschäftigen Mixing Station Sinn macht. Das würde jetzt zu weit gehen und für solche Themen würde es eher Sinn machen, eine eigene Sektion im Forum zu bearbeiten.

Allgemein zu Eiweiß Drinks ist zu sagen: Wir wollen einen aromatischen Schaum. Der Drink wird „fluffiger und samtiger“ und optimalerweise hält der Schaum wahnsinnig viel Aroma, dder uns animiert zu trinken.

Das erreichen wir mit jeder der gezeigten Zubereitungsarten in absoluter Perfektion. Vorausgesetzt: Wir nutzen arschkaltes Eis, einen guten TinTin Shaker, geben dem Drink die Shake-Kraft die er verdient und halten uns an ein gutes Sour Verhältnis. Klassischerweise 6/3/2.

Shakt ihr auf normalen Eiswürfeln oder Eisblock?
Letzteres müsst ihr kürzer Shaken für ein gutes Schaumergebnis und ihr habt weniger Verwässerung.

Jetzt ist natürlich die Frage: Was passiert, wenn ich am Ende des Mixing Prozess noch einen Wein oder Ähnliches floaten möchte?
Der Reverse Dry Shake brauch nach dem Füllen ins Glas seine 30 Sekunden um sich zu setzen. Aber dann ist das Floaten ein absolutes Kinderspiel und benötigt nicht mal einen Löffel oder ähnliches Hilfsmittel.

Als kleiner Abschluss:
Ein Whiskey Sour 7/3/2 mit 4cl Eiweiß sollte knapp 8 Sekunden auf einem Eisblock geshaket werden und danach nochmal knappe 10 Sekunden ohne Eis.
Danach passt die Füllmenge perfekt in ein Perfect Serve DOF Glas mit 5x5cm Eisblock oder in einer Perfect Serve Cocktail Schale.
Als Freund von wenig Verwässerung erhält man so den perfekten Whiskey Sour.

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